Der Augenblick, in dem für mich die Zeit stehengeblieben ist.
An einem gewöhnlichen Donnerstag wurde ich durch das ununterbrochene Surren von den eingehenden Nachrichten im Messenger aus dem Schlaf gerissen. Der Handybildschirm leuchtete in der Dunkelheit und zeigte etwas Unfassbares – eine nach der anderen tauchten die Meldungen von meiner Mutter, meiner Schwester, von unseren vielen Freunden aus unterschiedlichen ukrainischen Städten auf:
„Wir werden angegriffen. Es fliegen Bomben.“
„Es ist etwas Schreckliches passiert. Wir hören ununterbrochen Explosionen.“
„Es ist dunkel, aber irgendwo am Horizont brennt es und die Sirenen heulen“
„Was sollen wir tun?“
Ich saß im Bett in absoluter Dunkelheit und diese Worte wollten einfach keinen Sinn bekommen – „Explosionen, Feuer, Bomben“ und natürlich die ganz große Frage „Was sollen wir tun? WAS?“
Mehrere Stunden später dann wie eine zweite Tsunamiwelle – die unzähligen Meldungen von unseren deutschen Verwandten und Freunden aus vielen deutschen Städten:
„Was passiert dort?“
„Weißt du was?“
„Sind Deine in Sicherheit?“
Und wieder die große Frage:
„Was sollen wir tun?“
Seitdem läuft die Zeit anders, irgendwie stockend, unregelmäßig, als wäre in diesem sensiblen System etwas irreversibel kaputt gegangen. Viele Monate lang konnte ich mich nur mit unserer Familie beschäftigen und Nachrichten scrollen, unendlich lange schreckliche Sätze über Opfer, Zerstörungen und Leid, unendliches Leid von allen Seiten.
Ich konnte nichts mehr schreiben. Nichts mehr zeichnen. Kein Wort, kein Strich, nichts.
Doch dann langsam löste sich etwas in mir. Und dabei habt ihr mir sehr geholfen – mit euren Nachrichten aus der Literaturwelt, euren lieben Briefen mit Fragen und vielen netten Erwähnungen in den Posts und Stories. Dafür bin ich euch sehr dankbar. Denn das hat mir gezeigt – das Leben geht weiter. Die Kunst lässt sich nicht zerstören. Sie kann nicht stumm geschaltet werden.
Und so fand ich endlich neue Kräfte, um wieder zu schreiben. Ein Wort nach dem anderen. Denn ich trage so viel in meinem Herzen, was ich in meinen Büchern gerne weitergeben würde. Und es sind so viele Menschen da draußen, die das hören können. Die durch meine Bücher lachen und weinen, grübeln und schmunzeln können. Es muss einfach weitergehen.
Denn sogar wenn die Zeit stehenbleibt, lebt die Kunst weiter.
Wie mein Lieblingsschriftsteller M. Bulgakow sagte; „Manuskripte brennen nicht.“
Papier brennt.
Bücher leben in den Menschen weiter.
Sie sind unsterblich.
Eure Mila.